Knochenstarke Ernährung

ein Beitrag von Heidi Reber (Leiterin einer Osteoporose-Selbsthilfegruppe)

Ein gesunder Knochen ist ein wahres Wunderwerk: fest und doch elastisch, belastbar aber nicht zu schwer. Eine spezielle Mischung und Anordnung der Baumaterialien macht dies möglich. Die Natur gibt vor, wie gemischt und angeordnet wird – elastische Schichten aus dem körpereigenen Protein Kollagen werden gebildet. Zwischen den Schichten werden Kalzium und Phosphat sowie weitere Mineralstoffe und Spurenelemente eingelagert – sie verleihen Festigkeit. Die Schichten sind “zusammengeleimt” mit einer Mischung aus verschiedenen Spurenelementen, Wasser und Mukopolysacchariden.

Der Aufbau wird von speziellen Zellen bewerkstelligt, auch körpereigene Enzyme werden dazu benötigt. Gesteuert wird die Arbeit durch eine Vielzahl verschiedener Signalstoffe, zu denen auch das Vitamin D zählt.

Im Knochenstoffwechsel geht es höchst dynamisch zu: ein ununterbrochener Ab- und Wiederaufbau sorgt dafür, dass die Knochenmasse ständig erneuert wird. Das ist nicht nur deshalb nötig, weil zu alte Knochenmasse nicht mehr elastisch genug ist, sondern auch, weil der Knochen als reversibler Speicher für Mineralstoffe dient, vor allem für Kalzium, aber auch für andere. Denn: die Mineralstoffe sind nicht nur Bausteine des Knochens, sondern haben auch andere lebenswichtige Aufgaben. Bei Bedarf werden sie aus den Knochen freigesetzt.

Alle Zutaten für das Aufbauwerk müssen von der Ernährung geliefert werden! Zum einen die Materialien, zum anderen auch Spurenelemente und Vitamine, die als Helfer der am Ab- und Wiederaufbau beteiligten Enzyme fungieren.

Kalzium und Phosphat sind im Knochen in den größten Mengen vertreten, aber auch andere Mineralstoffe und Spurenelemente, wie z.B. Magnesium, Fluor, Bor, Zink und Silizium. Dieselben und noch weitere Spurenelemente sowie bestimmte Vitamine werden als “Coenzyme”, Helfer von Enzymen benötigt, damit der Stoffwechsel – der Knochenstoffwechsel genau so wie der Stoffwechsel allgemein – reibungslos funktionieren kann.

Nicht zuletzt werden auch die „Makronährstoffe“ für das Bauwerk „Knochen gebraucht: – Proteine, Fette und Kohlenhydrate, bzw. deren Bausteine, sowie Wasser.

So stellen wir sicher, dass alle benötigten Nährstoffe in ausreichender Menge zugeführt und aufgenommen werden:

Vitamin D

Das „Sonnenvitamin“ funktioniert wie ein Hormon und regelt in dieser Eigenschaft den Kalzium- und Phosphathaushalt, sowie zahlreiche andere Vorgänge. Zu dieser “Regeltätigkeit” gehört auch, dass Vitamin D die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus der Nahrung und den Einbau in die Knochen fördert, wenn die Stoffwechsellage dies erfordert.

Die Sonne ermöglicht es uns, in der Haut eine Vorstufe des aktiven Vitamin D aus Cholesterin zu bilden.

Allerdings kann nicht jede Sonneneinstrahlung die Vitamin D-Bildung bewirken. Eine bestimmte Wellenlänge (280 – 320 nm) und eine bestimmte Intensität sind dazu nötig. Welche Wellenlängen unsere Haut mit welcher Intensität erreichen, hängt wiederum von der Jahreszeit, dem Wohnort (Breitengrad), den Witterungsverhältnissen und weiteren Faktoren (z.B. Hautfarbe, Sonnenschutzmittel, Luftverschmutzung) ab. Als Faustregel für unsere Breitengrade gilt: von Oktober bis April findet so gut wie keine Vitamin D Bildung in der Haut statt. Wie viel Vitamin D gebildet wird, hängt außerdem noch von unserem Alter ab: mit zunehmendem Alter lässt die Vitamin D-Produktion in der Haut substantiell nach.

Ist die Vorstufe in der Haut einmal gebildet, gelangt sie über den Blutkreislauf zur Leber. Dort wird aus ihr die Speicherform des Vitamins gebildet, die wiederum in den Blutkreislauf gelangt, um schließlich bei Bedarf zum aktiven Vitamin D umgewandelt zu werden, hauptsächlich in Nierenzellen, aber auch in den Zellen anderer Organe.

In nur wenigen Lebensmitteln sind nennenswerte Mengen Vitamin D enthalten.

Schon um den von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vorgegebenen Zufuhrschätzwert für Gesunde, 20 Mikrogramm pro Tag (= 800 I.E.), allein über die Ernährung sicher zu stellen, müsste man grosse Mengen dieser wenigen Lebensmittel zu sich nehmen. Ein Versuch, dies zu tun, würde zu einem viel zu einseitigen Speiseplan führen. Noch schwieriger wird es, wenn man die Vorgaben  für Risikopatienten erreichen will, z.B. die der Endocrine Society, USA (1500-2000 I.E.) oder des deutschen Osteoporoseexperten Reiner Bartl (1000-2000).

Eine sicher ausreichende Versorgung mit Vitamin D erreicht man nur durch häufige Sonnenbestrahlung von Mai bis September, im Winter durch die Einnahme eines Vitamin D-Präparates. Bei Osteoporose bzw. einem hohen Osteoporoserisiko sollte man den Vitamin D-Status bestimmen lassen. Liegt man gut im Referenzbereich 25(OH)D (30 -100 ng/ml) so ist die Versorgung ausreichend, liegt man darunter, ist die – übrigens risikolose und preiswerte – Supplementierung dringend notwendig.

Kalzium & Co

Zur ausreichenden Versorgung mit Kalzium und allen anderen Mineralstoffen, sowie den Spurenelementen, ist das erste Gebot: viel Abwechslung in der Ernährung!

 

Besonders gute pflanzliche Mineralstofflieferanten

mg/100g Kalium Kalzium Magnesium Phosphat Eisen Zink
Sesamsamen 450 780 350 610 10,4 8
Amaranth 485 215 310 580 9 4
Hirse 170 25 125 275 7 3
Erdmandeln 486 100 94 219 4 k.A.
Grünkohl 450 210 30 90 2 < 1
Brokkoli 475 710 80 140 4 1
Fenchel 495 110 49 51 3 < 1
Sojamilch 123 120 16 < 1 < 1 < 1
Tofu 95 90 100 100 10 < 1
Sonnenblumenkerne 725 100 420 620 7 6
Pistazien 1020 135 160 500 7 1

Quelle: Heseker H., Heseker B.: Die Nährwerttabelle Umschau Verlag 2010 ISBN 978-3-86528-130-2

(Erdmandeln: http://www.lebensmittellexikon.de/e0000110.php)

 

Ausreichend viele verschiedene Sorten Obst und Gemüse essen! Gemüse möglichst nicht kochen, sondern Dampfgaren, Dünsten, Wokken – so schmeckt’s auch besser.

Vollkornbrote und -gebäck bevorzugen. Im Zweifel nach der Rezeptur fragen, denn nicht jedes dunkle Brot ist ein echtes Vollkornbrot. Aber auch schon ein gewisser Anteil an Vollkornmehl ist ein Fortschritt und für viele leichter verträglich.

Eine Handvoll Nüsse und/oder Kerne täglich genießen.

Die sogenannten „Pseudogetreide“ – Buchweizen, Hirse, Braunhirse, Amaranth und Quinoa – sind besonders mineralstoffreich.

Auch Sesamsamen, Hülsenfrüchte und Erdmandeln sind sehr gute Mineralstoffquellen. Sesamsamen als Hummus genießen!

Milch und Milchprodukte tragen stark zur Kalziumversorgung bei, sie liefern neben Kalzium auch viel Kalium, Magnesium und Phosphat.

Von der Kalziumsupplementierung wird abgeraten, da es starke Hinweise darauf gibt, dass sie sich ungünstig auf die Gefäße auswirkt. Wenn der Vitamin D-Status stimmt, wird wesentlich mehr Kalzium aus der Nahrung aufgenommen, so dass es möglich ist, den Bedarf allein durch Lebensmittel zu decken.

Die Makronährstoffe: Proteine, Fette und Kohlenhydrate

Auch diese, bzw. ihre Bausteine, gehören zum Baumaterial der Knochen und Knorpel und zur Energieversorgung für alle Stoffwechselvorgänge und müssen in ausreichender Menge und Qualität zugeführt werden. Bei Osteoporose gelten in dieser Hinsicht dieselben Ernährungsempfehlungen wie für Gesunde: Eine Fleischmahlzeit wenn man mag, aber eher seltener als üblich (2 x pro Woche), Wurst noch seltener, Fisch auch 2 x pro Woche. Bei Eiern gehen die Meinungen der Ernährungsprofis auseinander: von 2 pro Woche bis 1-2 pro Tag! Hauptsächlich Olivenöl und Rapsöl verwenden, aber auch gelegentlich andere Öle, wie Walnussöl, Sonnenblumenöl, Distelöl u.a. Bei den Kohlenhydraten die Einfachzucker möglichst einschränken.

Die Helfershelfer: Vitamin C und andere wasserlösliche Vitamine

Vitamin C wird unter anderem zur Synthese von Kollagen, dem hauptsächlichen Knochenprotein, gebraucht. Andere wasserlösliche Vitamine sind unentbehrliche Coenzyme, das heisst, Helfer der Enzyme, nicht nur im Knochenstoffwechsel. Auch diese erhalten wir reichlich, wenn wir uns wie oben beschrieben ernähren. Mögliche Ausnahmen könnten die Folsäure und Vitamin B12 sein. Folsäure ist überaus empfindlich: Transport-, Lagerungs- und Zubereitungsverluste lassen oft wenig von ihr übrig, wenn die Speise auf dem Teller liegt. Vitamin B12 ist viel stabiler, mit zunehmendem Alter kann die Aufnahme aus der Nahrung nachlassen. Ein „B-Komplex“ Präparat kann hier Abhilfe schaffen.

Wasser

Auch für Wasser gelten dieselben Empfehlungen wie für Gesunde: man sollte täglich ca. 1,5 Liter Wasser in Form von Getränken zu sich nehmen. Mineralwasser kann zusätzlich zur Mineralstoffversorgung beitragen. Bei der Wahl des Mineralwassers ist der Kalziumgehalt nicht das erste Kriterium, denn gerade die Wasser mit hohem Kalziumgehalt haben oft zu viel Sulfat oder Natrium. Das „Wasser der Wahl“ sollte weniger als 250 mg/L Sulfat und weniger als 30 mg Natrium pro Liter enthalten.

Am besten Bio: warum eigentlich?

Pflanzen, die aus der biologischen Landwirtschaft stammen, wachsen in Böden, die eine Vielfalt von Mineralstoffen und Spurenelementen enthalten, und können diese auch aufnehmen und an uns weitergeben. Studien, die beweisen sollen, dass Bioprodukte nicht besser sind als konventionelle, konzentrieren sich auf Inhaltsstoffe, die sich tatsächlich nicht signifikant unterscheiden.

 

Rundum gut

Die beschriebene Ernährungsweise sichert nicht nur die für den Knochenstoffwechsel notwendigen Baumaterialien und Stoffwechselhelfer, sondern liefert darüber hinaus auch ausreichend Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und auch anderen Zivilisationskrankheiten vorbeugen können.


Quellen

Tabelle „Vitamin D Gehalt tierischer Lebensmittel“: Danish Food Composition Databank, National Food Institute, University of Denmark

Tabelle „Vitamin D Gehalt pflanzlicher Lebensmittel: nur einige Pilze“: USDA Nutrient database for Standard Reference

Aloia J.F. et al: Vitamin D supplementation increases calcium absorption without a threshold effect. Am J Clin Nutr (2014 ajcn.067199; first published online December 11, 2013. doi:10.3945/ajcn.113.067199)

Bartl R., Buchberger W.: Der große Patientenratgeber Osteoporose. Zuckschwerdt Verlag München 2011

Bischoff-­‐Ferrari H. et al: Estimation of optimal serum concentrations of 25-­hydroxvitamin D for multiple health outcomes. Am J Clin Nutr (2006) 84: 18-­‐28

Binkley N., Wiebe D.: Clinical Controversies in Vitamin D: 25(OH)D measurement, Target Concentration, and Supplementation. J Clin Dens (2013) 16(4): 402-­‐408

Dachverband Osteologie e.V.: DVO-­Leitlinie 2009 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Erwachsenen. Osteologie (2009) 18(4): 304-­‐328

DGE, ÖGE, SGE, SVE: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 1.Auflage, 4.korrigierter Nachdruck 2012

Devine A. et al: Effects of vitamin D metabolites on intestinal calcium absorption and bone turnover in elderly women. Am J Clin Nutr (2002) 75: 283-­‐288

Heseker H., Heseker B.: Die Nährwerttabelle. Umschau Verlag 2010

Holick M.F.: Vitamin D Deficiency. N Engl J Med (2007) 357: 266-­‐281

Holick M.F., Binkley N., Bischoff-­‐Ferrari H.A. et al: Evaluation, Treatment and Prevention of Vitamin D Deficiency: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. Clin Endocrinol Metab, (2011) 96(7): 1911-­‐1930.

Kuanrong Li et al.: Associations of dietary calcium intake and calcium supplementation with myocardial infarctiion and stroke risk and overall cardiovascular mortality in the Heidelberg cohort of the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition Study (EPIC-­Heidelberg). Heart (2012) 98: 920-­‐925

Peterlik M.: Vitamin-­D-­Status und chronische Erkrankungen: Fakten und Fiktionen. Journal für Mineralstoffwechsel (2011) 18(3): 98-­‐102

Worm N.: Heilkraft D., 2.Auflage, Systemed Verlag, Lünen 2010

n/a